Fallstudien

Experiment in der Praxis

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Experiment in der Praxis

Inhalt

1. Einleitung

Die „Domaine du Merle“, ein 400 Hektar großes Gelände in der Crau-Ebene in der Provence, ist seit fast einem Jahrhundert ein wichtiger Bestandteil der Wanderweidewirtschaft. Sie ist ein Zentrum für Ausbildung, Forschung und Experimente zur Wanderweidewirtschaft. Der Verein „La Maison de la Transhumance“ („Das Haus der Wanderweidewirtschaft“) hat sich 2012 der „Domaine“ angeschlossen. Durch diese Zusammenarbeit ist die „Domaine“ auch zu einem Ort des Wissens, der Vermittlung und der Dokumentation geworden.

2. Grundlegende Informationen

Hauptträgers

Patrick Fabre

Beginn der Praxis

1930

Standort

Salon-de-Provence, France

Beteiligte Organisationen
  • Landwirte/Senner/Hirten
  • Private Landeigentümer
  • Öffentliche Landeigentümer
  • Kommunen
  • Verschiedene öffentliche Partner, darunter die Region Provence Alpes Côte d’Azur
Gesamtfläche der bewirtschafteten Flächen in ha
  • Die „Domaine du Merle“ umfasst 400 Hektar.
Eigentumsverhältnisse an dem für die Wanderweidewirtschaft genutzten Land
  • Gemietetes privates Land
  • Gepachtetes öffentliches Land
Grundlegende Produkte

Aus der Wanderweidewirtschaft resultieren zwei Arten von Produkten. Das erste ist Lammfleisch, das als „Label Rouge Agneau de Sisteron“ vermarktet wird. Außerdem gibt es Frühlingslämmer, die in den Bergen geboren werden, die „tardons d’alpage“.

Die zweite Art von Produkten ist eine Reihe von Outdoor-Bekleidung, die aus der Wolle der Merinos d’Arles hergestellt wird. Diese Wolle gilt als die feinste in Europa. An der Produktion der Kleidung ist eine Gruppe von Züchtern beteiligt. Die Kleidung wird unter dem Markennamen „La Routo“ vermarktet.

NUTS3-Region
FRL04 Bouches-du-Rhône
  • Main Farm

    Farm

  • Col des Champs

  • Col de la Cayolle

Glossar

3. Situation vor der Inbetriebnahme/ Veränderung/ Fortführung

Der Verein „Maison de la Transhumance“ wurde 1997 von Kulturschaffenden (darunter André Pitte, Organisator des Transhumanz-Festivals in Die) und René Tramier, einem Wanderschäfer in der Provence, gegründet. Die Idee war, Züchter und Wanderschäfer mit Umweltakteuren zusammenzubringen. Das ursprüngliche Ziel war es, in der provenzalischen Ebene der Crau einen öffentlich zugänglichen musealen Raum zu schaffen. Die Crau ist ein Hotspot der Wanderschäferei. Aber die Züchter waren zurückhaltend, ja sogar misstrauisch, und das Projekt konnte damals nicht durchgeführt werden.

Zwischen 1997 und 2012 waren die Aktivitäten des Vereins eher bescheiden, trotz der Organisation eines Gründungskolloquiums und einer Wanderausstellung in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv von Marseille. Im Jahr 2012 zog der Verein in die „Domaine du Merle“ in Salon-de-Provence um, wo er auch heute noch ansässig ist.

Der Direktor des „Maison de la Transhumance“, Patrick Fabre, ist ausgebildeter Agraringenieur. Er ist Berater für Schafe bei der Landwirtschaftskammer des Departements Bouches-du-Rhône. Er ist seit der Gründung der „Maison de la Transhumance“ im Jahr 1997 dabei.

4. Beschreibung der Wanderweidewirtschaft

Landschaftstyp

Die „Domaine du Merle“ befindet sich nordöstlich der Plaine de la Crau. Die Crau war früher ein trockenes Weideland. Heute besteht sie aus der trockenen Crau, einem seltenen steppenartigen Lebensraum in Westeuropa, und der feuchten Crau. Die feuchte Crau befindet sich im nördlichen Teil, wo sich die „Domaine“ befindet.

Tierart/ Rasse

Die Herde „Domaine du Merle“ besteht aus 1500 Merino d’Arles-Schafen. Diese rustikale und gesellige Rasse ist klein und eignet sich hervorragend für Wolle. Durch Kreuzungen mit Fleichrassen ergibt sich auch ein gutes Lammfleisch. Den Tieren stehen 200 Hektar Crau-Heu zur Verfügung. Crau-Heu wird wegen seines Mineralstoffgehalts geschätzt, vor allem wegen des Kalziums, Magnesiums und Natriums. Der Gehalt an diesen Mineralien ist manchmal doppelt so hoch wie der von gutem, normalem Heu. Der Rohzellulosegehalt ist im Vergleich zu anderen Futtermitteln gering, was seine Verdaulichkeit erhöht.

Bewegungsmuster

Neben kurzen Wanderungen innerhalb der „Domaine“ oder in die Umgebung praktiziert die Herde in der warmen Jahreszeit auch eine lange (250 km) Transhumanz. Diese vertikale Transhumanz mit dem LKW führt zu den Hochgebirgsweiden der Südalpen.

Art der Zusammenarbeit

Die „Domain du Merle“ besteht aus mehreren Gebäuden, darunter ein älteres, das „Schloss“. Die „Domaine“ umfasst 400 Hektar Land. Sie ist Teil des Agrarwirtschaftlichen Instituts von Montpellier und verfügt über ein eigenes Budget, einen eigenen Direktor, Pierre-Marie Bouquet und einen eigenen Betrieb. Die „Domaine“ hat zwölf Mitarbeiter, die sich auf Züchtung und Forschung spezialisieren. Wie das Nationale Forschungsinstitut für Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt (INRAE), ist die „Domaine“ ein Ort des Studiums und der Experimente. Es gibt viel zu tun: Genforschung zur Effizienz der Merino-Rasse, natürliche Zäune, Gesundheitsüberwachung, Wirtschaftlichkeit der Zucht usw. Die Hauptaufgabe der „Domaine“ ist jedoch nach wie vor die Ausbildung von Wanderhirten.

Angesprochene Märkte/ Produktverkauf

Das Lammfleisch wird von der Genossenschaft „Agneau Soleil“ verkauft. Die Wolle wird an ein Unternehmen in Isle-sur-la-Sorgue, in der Nähe von Avignon, geschickt. Das Unternehmen stellt Reisedecken (Plaids) und Decken her.

Bedrohungen und Herausforderungen

Die Aktivitäten des „Maison de la Transhumance“ hängen im Wesentlichen von den Subventionen der lokalen Behörden ab. Die Praxis der Wanderweidewirtschaft findet in einem anderen Rahmen statt. Die „Domain du Merle“ bietet Schulungen an, die vom Institut für Agrarwirtschaft in Montpellier durchgeführt werden. Es handelt sich also um eine langfristige Aktivität.

5. Getroffene Entscheidungen

Begründungen

Die Wanderweidewirtschaft wurde aus wirtschaftlichen Gründen eingeführt (z. B. um im Sommer Zugang zu besseren Weiden zu bekommen). Sie wird auch zu Ausbildungszwecken betrieben.

Entscheidung für die Tierart/ spezifische Rasse

Die Merinos d’Arles, eine historische lokale Rasse, ist gut an die Wandertierhaltung angepasst.

Entscheidung für das Produktionssystem

INRAE-Forscher forschen, um das Produktionssystem und die Effizienz der Wandertierhaltung zu verbessern.

Diversifizierung des Einkommens

Die Herstellung von „La Routo“-Wanderkleidung ist eine Initiative des „Maison de la Transhumance“ und eine innovative Praxis für die kulturelle Aufwertung eines Produkts. Der Verkauf erfolgt sowohl online als auch in einigen wenigen Fachgeschäften, darunter das in Frankreich sehr bekannte „Vieux Campeur“ („Alte Camper“). Die Socken werden in Frankreich hergestellt, die Pullover und Jacken in Biella, im Piemont (Italien), die Leggings und T-Shirts in Baden-Württemberg (Deutschland).

Multifunktionale Aspekte

Das „Maison de la Transhumance“ hat seine Büros in der „Domaine“. Ihre Tätigkeit ist hauptsächlich auf die Interpretation und Vermittlung der Wanderweidewirtschaft ausgerichtet. Sie hat viele Bildungs- und Kulturaktivitäten durchgeführt: Informationen über die Schutzhunde, Einrichtung von Lehrpfaden, Herausgabe von Büchern, Konferenzen … Das „Maison de la Transhumance“ beteiligt sich an der Organisation des Pastoralist Film Festivals in Digne. Außerdem hat sie die Initiative ergriffen, die Grande Randonnée-Route „La Routo“ einzurichten. La Routo“ folgt den Wanderwegen der Transhumanz, die über 540 km zwischen Arles in der Provence und Borgo san Dalmazzo im italienischen Piemont verlaufen. Die 2008 ins Leben gerufene Idee wurde 2020 in die Tat umgesetzt. Der Verein setzt sich auch für den Schutz des pastoralen Erbes ein und beteiligt sich an der Arbeit zur Eintragung der Wandertierhaltung in die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes in Frankreich. Die Organisation ist nach wie vor klein und besteht aus einem Direktor, einem Verantwortlichen für „La Routo“ und einer Verwaltungsassistentin.

6. Ausbildung/Fähigkeiten, um das "Geschäft" aufzubauen

Jedes Jahr, von September bis September, bildet die „Domaine“ 18 bis 20 transhumante Schäferschüler aus. Sie war die erste Einrichtung in Frankreich, die Ausbildungskurse für Hirten anbot, und die einzige, die sich wirklich auf die Wanderschäferei spezialisiert hat, und zwar unter dem Namen „transhumante Schafhaltung“. Die Teilnehmer erhalten ein landwirtschaftliches Berufsdiplom. Die „Domaine“ wird aus regionalen Mitteln finanziert und ist ein autonomes Ausbildungszentrum, das direkt von der Landwirtschaftsschule Montpellier verwaltet wird. Vor zwanzig Jahren gab es 15 Bewerber für 15 Plätze, in diesem Jahr (2022-2023) sind es 40 Bewerber für 18 Plätze und mehr Frauen als Männer. Das Profil der Bewerber ist sehr heterogen. Es bewerben sich Menschen ohne Abschluss und Menschen mit einem hohen Bildungsniveau. Allerdings bewerben sich mehr junge Menschen zwischen 18 und 25 Jahren, die auf der Suche nach Arbeit sind, als früher. Letzteres steht im Einklang mit der Integrationspolitik der Region.

7. Nächste Schritte zum Weiterkommen

2019 eröffnete „La Maison de la Transhumance“ in der „Domaine du Merle“ ein euro-mediterranes Ressourcenzentrum zur Wandertierhaltung (Archive, Fotos, Filme, Töne, Bücher…). Der Verein verwaltet dieses Dokumentationszentrum, ist aber aufgrund mangelnder Ressourcen auf drei Freiwillige angewiesen. Die Indexierung der Dokumente wird derzeit abgeschlossen, um die Abfrage zu verbessern. Eines der Projekte des Vereins ist immer noch die Einrichtung eines Museumsraums. Dieses Ziel ist jedoch nur mit dem finanziellen Engagement vieler Partner möglich. Derzeit wird das „Maison de la Transhumance“ vor allem von der Region Provence finanziell unterstützt, die sich an der Festlegung der Themen für die Maßnahmen beteiligt. Andere Gebietskörperschaften (Gemeinde, Departement, Metropole Aix-Marseille) und europäische Programme stellen zusätzliche Mittel zur Verfügung. Der Verein selbst stellt Mittel für Konferenzen, Studien oder Ausstellungsmieten zur Verfügung. Insgesamt beläuft sich sein Budget auf 240.000 EUR pro Jahr.

8. Zitat und Empfehlung des Unternehmers

Patrick Fabre weist darauf hin, dass heute immer mehr Hirten die Wanderschäferei nur noch während eines Teils des Jahres betreiben und nicht mehr das ganze Jahr über und auch nicht ihr ganzes Leben lang. Die Aktivitätszeit der angestellten Schäfer ist in der Provence länger als an anderen Orten, weil in der Provence auch eine kurze Transhumanz im Frühjahr und Herbst durchgeführt wird. Außerdem hat die Zunahme des Wolfsbefalls zu einem neuen Ausbildungsbedarf geführt. Deshalb hat sich der Verein an eine landwirtschaftliche Hochschule in Digne in den Südalpen gewandt.