Fallstudien

Auf den Kopf gestellt

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Auf den Kopf gestellt

Inhalt

1. Einleitung

Der Hof von Hans und Lorna Küng ist ein besonderer Transhumanz-Betrieb, wenn man die Art der Fortbewegung betrachtet. Die Tiere werden zwischen 2 Standorten hin und her getrieben: Zürs, der Haupthof liegt auf 1.720 m ü.d.M. und Bludenz-Bings auf 606 m ü.d.M. Das Vieh ist im Winter und Sommer in Zürs und im Frühling und Herbst in Bings.

2. Grundlegende Informationen

Hauptträgers

Hans Küng

Beginn der Praxis

1996

Standort

Zürs, Austria

Beteiligte Organisationen
  • Bauer/Senner/Hirten
Gesamtfläche der bewirtschafteten Flächen in ha
  • Der Hof liegt auf ca. 190 ha Bergweide mit sehr unterschiedlicher Qualität und Zugänglichkeit.
Eigentumsverhältnisse an dem für die Wanderweidewirtschaft genutzten Land
  •  Eigenes Land
  • Gemietetes privates Land
  • Gepachtetes öffentliches Land
Grundlegende Produkte

Das Hauptprodukt ist Kuhmilch. Früher wurde die Milch direkt an Hotels in der Touristengegend von Zürs vermarktet. In der Spitze wurden 40.000 Liter pro Jahr direkt verkauft. Heutzutage ist diese Direktvermarktung fast vollständig eingestellt. Das Führungspersonal in den Hotels wechselt ständig, und es wird immer schwieriger, verlässliche langfristige Beziehungen zum Chefkoch aufzubauen. Außerdem wird es immer schwieriger, die Köche davon zu überzeugen, dass die höhere Qualität der auf der Alp produzierten regionalen Milch im Vergleich zu konventionell erzeugter Milch einen höheren Preis wert ist. Außerdem machen es zusätzliche Hygienevorschriften für direkt vermarktete Milch und die Rechenschaftspflicht für das Hotelpersonal bequemer, abgepackte Milch zu kaufen.

NUTS3-Region
AT341 Bludenz--Bregenzer Wald
  • Main Farm

    Main farm

  • Farm

Glossar

3. Situation vor der Inbetriebnahme/ Veränderung/ Fortführung

Hans Küngs Urgroßvater verließ einst die Region Vorarlberg und wanderte auf eine Farm in den USA aus. Nach seiner Rückkehr kaufte er den Hof in Bludenz-Bings, zu dem auch Anteile der Alp Zürs gehörten. Hans Küng hat den elterlichen Hof 1996 übernommen.

Die Alp umfasst rund 2.000 ha. Derzeit hat sie 37 Genossenschaftsmitglieder. Die Zürs-Alm lebte früher ausschließlich von der Landwirtschaft. Nachdem Zürs zu einem Hotspot für den Wintertourismus geworden ist, gibt es noch drei aktive Bauern auf der Alp. Hans Küng ist der einzige Milchviehhalter unter ihnen.

Das Einkommen in der Region basiert sehr stark auf dem Tourismus. Die Alp und die Genossenschaft erhalten Pachteinnahmen von den Bauern und von den Ski- und Bergliften.

4. Beschreibung der Wanderweidewirtschaft

Landschaftstyp
  • Wiesen
  • Natürliches Grünland in einer Bergregion
  • Alpines Grasland
Tierart/ Rasse

Traditionell, autochthon: Braune Schweizer

Bewegungsmuster

Neben der Betreuung des Milchviehs ist Hans Küng auch für eine Jungviehherde mit rund 270 Stück Vieh verantwortlich. Ein angeheuerter Hirte zieht mit dem Vieh der rund 40 Bauern über die Alpflächen bis auf 2.400 m ü.d.M., wo sich die höchstgelegenen Weiden befinden. Die meisten Tiere kommen aus dem benachbarten Pitztal. Die Bauern und Bäuerinnen schätzen die guten Weideplätze. Gut genährte Jungtiere werden am Ende der Weidezeit ins Tal gebracht. 

Sobald Ende April auf den Weiden in Bings Futter wächst und die Skisaison vorbei ist, werden die Kühe nach Bings hinuntergetrieben. Bings befindet sich im Rheintal. Mit diesem System nutzt Hans Küng die Ressourcen im Tal und in den Bergen gut aus. Der Futterertrag ist hoch und Hans Küng muss wenig Kraftfutter einsetzen. Durch die frühe und selektive Beweidung des Grünlands hat er immer das beste Futter für seine Herde zur Verfügung. Außerdem erhält er an beiden Standorten das beste Heu. 

Art der Zusammenarbeit

Hans Küng trifft zusammen mit seiner Frau Lorna die Entscheidungen über die Spezialisierung und Diversifizierung des gesamten Familienbetriebs. Es gibt eine Zusammenarbeit mit anderen Landwirten für die Pensionierung ihrer Rinder und eine Direktvermarktung der Milch an Hotels. Außerdem gibt es eine Initiative von lokalen und regionalen Landwirten, die ihr Fleisch gemeinsam verkaufen.

Angesprochene Märkte/ Produktverkauf

Fast die gesamte Milch wird an regionale Milchverarbeitungsbetriebe verkauft.

Bedrohungen und Herausforderungen

Die vielen Vorschriften, die auf die Umwelt- und Agrarpolitik folgen, können eine Herausforderung sein. Der Wolfsbefall betrifft den Betrieb von Hans Küng nicht direkt, da er sich auf die Milchviehhaltung konzentriert. Aber in der Region ist es ein wichtiges Thema für die Landwirte.

Die wirtschaftlichen Herausforderungen wachsen, da die Investitionen in landwirtschaftliche Gebäude und der Bedarf an Betriebskapital steigen. Gleichzeitig sind die Grundstückspreise drastisch gestiegen, da die Region für den Tourismus und den privaten Wohnungsbau attraktiv und die Verfügbarkeit von Bauland begrenzt ist.

5. Getroffene Entscheidungen

Begründungen

Die wesentliche Entscheidung für die Wanderweidewirtschaft wurde durch die Übernahme des elterlichen Hofes getroffen. Der Familienbetrieb basiert auf dem Familienbesitz und der Fähigkeit des Landwirts, Innovationen umzusetzen und sich an die veränderten Bedürfnisse der Gesellschaft und der Geschäftspartner anzupassen.

Die Bewegung der Tiere folgt einem anderen Muster als sonst, denn der Hauptbetrieb liegt in Zürs in den Bergen, wo die Herde im Stall überwintert.

Hans Küng hat sich für einen abwechslungsreichen Arbeits- und Einkommensweg entschieden. Er ist Landwirt, betreibt im Winter zusammen mit seiner Frau ein kleines Hotel und ist Skilehrer. Hans und Lorna Küng sind beide 60 Jahre alt und freuen sich auf die freie Entscheidung ihres Sohnes, ob er in die Landwirtschaft einsteigen möchte. Ihr Sohn ist 16 Jahre alt.

Entscheidung für die Tierart/ spezifische Rasse

Hans Küng ist ein leidenschaftlicher Züchter. Er züchtet mittelgroße, problemlose Kühe mit einem hohen, drüsigen Euter und einem starken Zentralband. Mit problemfrei meint er eine Kuh, die die Almen alleine abgrasen kann, ein korrektes Fundament mit harten Klauen und guten Fesseln hat, trittsicher ist und sowohl heiße Tage als auch mehrere Regentage verkraftet.

Die derzeit älteste Kuh hatte acht Laktationen und eine Leistung von über 77.000 kg Milch. Sie ist eine der Braunviehkühe der Region Vorarlberg.

Entscheidung für das Produktionssystem
  1. Leistung der Tiere, extensiv, semi-extensiv, ökologisch)

Seit einigen Jahren lässt Hans Küng seine laktierenden Kühe und sein Jungvieh nicht mehr frei auf der gesamten 190 ha großen Alm grasen, und das hat einen guten Grund. Im Laufe der Jahre hat er beobachtet, dass sich ungenießbare Futterpflanzen immer mehr ausbreiten. Alpenrosen und Grünerlen lassen die Almen immer mehr zuwachsen. 

Die Futterflächen sind kleiner geworden. Um die wertvollen Almen zu reaktivieren, ist Küng vom Dauerweidesystem auf den Wechsel zwischen den Weiden umgestiegen. Er wechselt in einem mehrtägigen Rhythmus zwischen vier Tageskoppeln und einer Nachtkoppel. „Auf diese Weise zwinge ich die Kühe, besser zu fressen“, erklärt er den Wechsel. 

Zusätzlich zum Wechsel zwischen den Weiden mulcht er die Flächen und lässt sie von Ziegen beweiden, um unerwünschte Pflanzen zurückzudrängen.

Diversifizierung des Einkommens

Das Familieneinkommen besteht aus dem Bauernhof, einem kleinen Hotel und der Arbeit als Skilehrer.

Multifunktionale Aspekte

Hans Küng möchte die schönen alpinen Kulturlandschaften sowohl für seine Landwirtschaft als auch für den Tourismus in der Region erhalten und wiederbeleben. Landwirtschaft und Tourismus müssen zusammenarbeiten und einen Konsens finden.

6. Ausbildung/Fähigkeiten, um das "Geschäft" aufzubauen

Hans Küng ist ein professioneller Landwirt. In der Region Vorarlberg war er der erste Landwirt, der in eine neue Form von Freilandställen investierte. Obwohl er der Meinung ist, dass Freilandställe positiv sind, zum Beispiel in Bezug auf das Tierwohl und die Arbeit, ist er besorgt über die Auswirkungen der Nutzung von Freilandställen auf die Kulturlandschaften. Freilandställe könnten zu weniger Weidegang führen und somit das Überwachsen der Weiden verstärken.

7. Nächste Schritte zum Weiterkommen

Hans Küng wird sein Leben genauso weiterführen, wie es jetzt ist. Die Landwirtschaft ist das Zentrum seiner Arbeit. Als er einmal nach seinem freien Berufswunsch gefragt wurde, antwortete er: „Landwirt“. Als er noch einmal nach seinem Berufswunsch gefragt wurde und klarstellte, dass dieser frei sei und er sich aussuchen könne, was und wo auch immer, antwortete er: „Englischer Landwirt“.

Er wird weiterhin Tradition und Innovation kombinieren und die Landwirtschaft weiterführen, solange er gesund ist. Er freut sich darauf, dass die junge Generation den Betrieb übernehmen wird, wenn es soweit ist.

8. Zitat und Empfehlung des Unternehmers

Wenn du tust, was du liebst, ist das Leben schön.

In einer Region, in der sowohl das Skifahren als auch der Tourismus alles prägen, ist es schön, das Skifahren zu lieben und im Winter Ski zu fahren.

Jede Saison hat ihr besonderes Angebot und ihre außergewöhnliche Qualität.

 

Folge deinen Wünschen, und hoffentlich findest du die Arbeit, die du liebst.